Wildbirne (Pyrus pyraster)

WILDBIRNE

Pyrus pyraster (L.)
Burgsdorf

– Rosaceae
(Rosengewächse) –

Pyrus pyraster

Biologie

Gattung Pyrus
Die Gattung Pyrus umfaßte früher Apfel, Birne und Quitte, heute gehört nur noch die Birne dazu.
Aus dem Lateinischen pirus (Baum) und piru (Frucht), bzw. im nord- und westgermanischen Sprachgebiet pira (Stamm).
Verbreitung
Verbreitung der Gattung
Eurasien und Afrika: insgesamt ca. 20 Arten, davon 3 speziell in Mitteleuropa heimisch.
Verbreitung der Wildbirne
Gemäßigte Zone Europas und Westasiens, ohne subtropische Gebiete und Küsten.
Nördliche Verbreitungsgrenze von Südengland, Nordholland durch Schleswig-Holstein nach Nordostpolen und Rußland. Östliche Verbreitungsgrenze in Westasien, südliche vom Nordiran durch Südeuropa.
Höhe Max 1600 m ü NN, im Mittel 850 m ü NN.
Deutschland
Gesamtes Bundesgebiet, mit Schwerpunkt in Süd- und Mitteldeutschland stärker (Ebene bis mittlere Gebirgslagen). Häufig in den Auwäldenn bei Magdeburg und auf den sonnigen Hängen der Oder und Warthe.

Botanisches

 

Wachstum
Relativ langsamwüchsiger sommergrüner Strauch oder Baum 2. Ordnung, bis zu 20 m hoch (einzelne Individuen auch höher). Schaftdurchmesser bis 80 cm (im Extrem bis 120 cm)
Altersgrenze: 150 bis 200 Jahre.
Wurzeln Tief- / Pfahlwurzler
Rinde Rauten- oder würfelförmig gefeldert, teilweise schuppig. Farbvariationen von schwarzgrau über graubraun zu hellgrau.
Zweige, Knospen I.d.R. kahl, mit einem scharfen Sproßdorn oder einer spindelförmigen Knospe endend. Die spindelförmigen Knospen an den Kurztrieben haben im Gegensatz zur Kulturbirne scharfe Spitzen.
Blüte  

Fünfzählige weiße Blütenhüllen mit 20 bis 30 Staubbeuteln.
Blütezeit April bis Juni, vor bzw. mit Laubausbruch.

Blätter Wechselständig, dunkelgrün, eiförmig oder rundlich elliptisch und fein gesägt.
Austrieb Ende April bis Anfang Mai.
Intensive herbstliche Rot-, Violett- und Gelbfärbung.
Früchte Rundliche, wenig birnenförmige, grün- oder braungelbe Scheinfrüchte, mit ausgeprägten, nicht rudimentären Kelchblättern. Fruchtfleisch aufgrund zahlreicher Steinzellennester holzig.
Reife im September / Oktober.
Ökologie / Standortansprüche
Böden
Bevorzugt nährstoffreiche, basen- bzw. kalkreiche, lockere Lehm- oder Tonböden (Pfahlwurzler!). I.d.R. auf basenhaltigen, humosen Braunerden und Rendzinen. Felsenhänge und leicht saure Böden sind ebenfalls Standorte.
Wasser Mäßig frische bis trockene Standorte, Staunässe wird gemieden.
Temperatur Mäßig warme bis warme Standorte, bevorzugt sonnige Hänge, sommerwarme Laubmischwälder, Hecken, Trocken- und Felsgebüsche.
Frost Die Wildbirne ist frostempfindlich.
Synökologie Als Licht- bis Halbschattenbaumart gegenüber anderen Baumarten nicht sehr konkurrenzfähig ist, daher meist einzeln. Bevorzugt wärmeliebende Eichentrockenwälder sowie Eichenbuschwälder auf trockenwarmen Kalkstandorten. Seltener in Eichen-Ulmen-Auewäldern. Wachstumsoptimum und -maximum im Wildobstgürtel der kolchischen Wälder und des Kaukasus.

Kulturgeschichte

Ursprung,
Züchtung
Ursrpung Persien und Armenien
Ausbreitung in 2000 Jahren über Griechenland und das Römische Reich nach Westeuropa
Griechenland Kulturbirne schon 1000 Jahre v. Chr. bekannt. Galt als Gabe der Götter und Kultbaum (Erwähnung in Heldensagen).
Römisches Reich Sehr intensive Züchtung, bereits 39 verschiedene Sorten. 300 Jahre n. Chr. erste Berichte von Pfropfungen.
Mitteleuropa Spätneolithische Fruchtfunde aus Pfahlbauten. Simple Selektion und Kultivierung.
Spuren
Viele Flur- und Ortsnamen gehen heute noch im deutsch-, aber auch fremdsprachigem Raum auf die Birne zurück.
Für die Wildbirne speziell gab und gibt es eine Vielzahl landschaftstypischer Namen. Höltjebären, Essigberen, Holzmockel, Knödelbeerbaum und Saubeeren lassen auf ihre Eigenschaften oder ehemaligen Verwendungen schließen.
Frühere
Nutzungsformen
Speise und Getränk
Wildbirnenfrüchte enthalten Pektin, Fruchtsäuren und Gerbstoffe. Aufgrund ihres adstringierenden Geschmackes sind sie für den Menschen erst genießbar, wenn sie überreif und somit teigig sind oder Frost bekommen haben. Auch als Dörr- oder Backobst verlieren sie diesen Geschmack und waren deswegen für unsere Vorfahren in schlechten Zeiten eine nahrhafte Speise.
Die Wildbirne eignet sich nicht so gut für Most und Wein, da sie zu schnell an Säure verliert. Allerdings läßt sie sich mit Äpfeln oder Kulturbirnensorten zu Branntvvein oder Essig verarbeiten.
Heilmittel
Aus Birnensaft wurde früher Sirup gewonnen und als Zuckerersatz verwendet. Dieser Sirup war auch ein adstringierendes Durchfallheilmittel. Heilkräfte wurden den Wildbirnen auch bei Migräne und Pleuritis zugeschrieben.
Schweinemast, Bedeutung für die Fauna
Als Wildfutter und für die Schweinemast fand die Wildbirne schon im Mittelalter Verwendung. Im Jahr 1562 wurde auf die Erhaltung und Nutzbarkeit in der Nassauischen Holz- und Waldverordnung hingewiesen. Manche Waldteile verdanken ihr Überleben der jagdlichen Bedeutung der Wildbirne. Die Jagdordnung des Clemens August von 1749 ordnete die Mast des Holzobstes der hohen Wildbahn zu und verbot das Auflesen des Obstes oder das Fällen der Bäume ohne Erlaubnis.
Als Mastergänzung (Obermast) für die Schweine wurde sie von den Bauern sehr geschätzt. Schalenwild, Birkwild, Fasanen und Hasen äsen gerne die Früchte und Schößlinge. Die Blüten dienen vielen Insekten als Nahrungsquelle. Insgesamt besitzt die Wildbirne, dort wo sie vorkommt, eine große Bedeutung für die Fauna.
Weitere Nutzung
Die Rinde wurde zum Färben und Gerben genutzt. In Thüringen wurde aus Birnensamen ein 12 – 21% fettes, hochwertiges Birnbaumöl hergestellt.
Schutzbedürftigkeit
Die Kenntnisse der Standortansprüche und der waldbaulichen Eigenschaften stellen eine gute Ausgangsbasis für die weitere Erhaltung und Verbreitung im Wald dar. Im Rahmen von Arterhaltungsprogrammen und naturnaher, standortgerechter Forstwirtschaft müssen Wildbirnen vermehrt in unsere Wälder gepflanzt werden. Naturverjüngung und Wurzelbrut können ebenfalls der Arterhaltung dienen. Alte Bäume sollen gepflegt und geschätzt werden, Früchte dieser Birnbäume sollten zur Gewinnung von Saatgut regelmäßig geerntet werden.

Anbau

Geeignete Standorte
Anbaumöglichkeiten Maßnahmen

Lücken von Nieder- oder Mittelwäldern mit Eichen, schwachwüchsigen Rot- und Hainbuchen bzw. Kirsche und Elsbeere

Kleinflächiger Anbau trupp- oder horstweise möglich. Südhänge mit nährstoffreichem Ausgangsgestein und hohem Lichtanteil sind zu bevorzugen.
Wegränder, Waldaußen- und Innenränder, nicht wuchskräftige oder jüngere Waldbestände

Langfristig konsequente Pflege und Freistellung erforderlich

 

Bei der Anlage und Pflege von Wallhecken, Feldgehölzen und Eingrünungen von Wegen.
In Mischung mit Straucharten als dann dominierende Baumart bei geeignetem Boden und Klima günstige Voraussetzungen, gut zu wachsen (genügend Licht). Kann, da sie ein gutes Ausschlagvermögen hat, im Ausschlagbetrieb bewirtschaftet werden.
Weitere Möglichkeiten des Anbaus: Bei der Anlage von Erstaufforstungsflächen auf nährstoffreichen Ackerboden, bei der Neuanlage von Wirtschaftswegen, and Rändern von Wildäckern und -Wiesen. Auch als Landschaftsgehölz in Hecken oder Hofeingrünungen (Laubfärbung!), sowie bei der Neuanlage von Streuobstwiesen geeignet.
Vermehrung
Samenvermehrung
Einfach durchzuführen und wirtschaftlich günstig.
Ergiebigkeit aus 1 kg Birnenfrüchten bis zu 8,7 g reiner Samen
TKG 30 bis 37 g
Keimerfolg ca. 60 %
Samengewinnung Sammeln der vollreifen Früchte im Oktober/November, Auslösen der Kerne
Aussaat Direktsaat im Torf-Sandsubstrat (vogel- und mäusesicher)
Vegetative Vermehrung
Mit Wurzelschnittlingen, Wurzelbrut und Pfropfreisern möglich.
Erhaltungsplantagen
Aus dem vegetativ und generativ gewonnenem Vermehrungsgut sollten kleine Bestände oder Baumgruppen und auch Erhaltungsplantagen angelegt werden. So stellen Pfropfreiser- und Stecklingssamenplantagen eine gute Ausgangsbasis für die Gewinnung geeigneten Wildbirnen-Saatgutes dar. Nachzuchten verschiedener Herkünfte erhalten die genetische Vielfalt der Wildbirne.
Pflanzung
Pflanzmaterial
Möglichst Großpflanzen als Ballen- oder Containerpflanze. Alternativ: wurzelnackte Pflanzung.
Pflanzverband 3 m x 3 m bis 4 m x 4 m bei flächigen Kulturen
Methode Maschinenpflanzung mit Bagger oder Bohrer
Pflege
Frostempfindlichkeit beachten
Schutz vor Tierfraß an Jungpflanzen und Wurzelbrug (Mäuse, Hasen, Kaninchen, Schalenwild, Huftiere): Einzelschutz mit Drahthose
Schädlinge: in seltenen Fällen Gefährdung durch Insekten- und Pilzkrankheiten z. B. Feuerbrand, Birnengitterrost, Birnenschorf, Birnbaumsterben, Obstbaumkrebs, Obstbaumspinnmilbe und großer Birnblattsauger.
Waldbau
Waldbauliche Behandlung wichtig: Im Bestand oder in der Hecke muß die Krone der Wildbirne freigehalten werden, um langfristig wachsen zu können. Spezielle waldbauliche Erfahrungen mit der Wildbirne liegen kaum vor. Nur selten trifft man die Wildbirne als Bestandesteil im Wald an, hier kommt sie einzeln oder in kleinen Gruppen vor.

Holz

Holzeigenschaften
Farbe
Junges Wildbirnenholz weißlich hell, älteres gelblich-rotbraun.
Birnbaumholz dunkelt unter Lichteinfluß nach.
Je nach Standort schwankt die Farbpalette.
Qualitätseinflüsse
Holz-
veränderungen
Falsches Herzholz (unregelmäßiger Falschkern) – eine gelegentlich auftretende Dunkelbraun- bis braunviolett-Färbung sowie Markflecken (dekorative Zeichnung) sind je nach Verwendung positiv oder negativ zu bewerten Holz der Wildbirne
Dämpfen bewirkt eine rosabraune Färbung des Holzes
Holzfehler Starke und faule Äste, Hohlkehlen, Zwiesel, Krümmungen, Drehwuchs und Spannrückigkeit, häufig auch Krebs (wulstförmige Verdickungen).
Verfärbungen Eisen und Feuchtigkeit bewirken mit der Gerbsäure im Holz eine Graufärbung.
Witterungsbeständigkeit, Dauerhaftigkeit
In Feuchträumen und Außenanlagen sollte Birnbaumholz nicht verwendet werden, da es nicht sehr witterungsbeständig ist. Das Holz der Wildbirne ist aber grundsätzlich dauerhafter als das der Kulturbirne.
Bearbeitbarkeit
Birnbaumholz ist ein hartes Holz, es läßt sich trotzdem gut maschinell und manuell bearbeiten. Es ist mäßig schwer, aber dennoch leichter als Buchen- oder Eichenholz und läßt sich schwerer spalten als diese. Sägen, Drechseln, Fräsen, Schnitzen und nach dem Dämpfen auch Biegen sind problemlos durchzuführen. Da es sehr passgenau ist und in trockenem Zustand gut steht, ist das Holz ideal für Holzverbindungen mit Schrauben oder Leim. Nageln läßt es sich jedoch nur schwer. Oberflächen lassen sich mit Schleifer oder Hobel gut bearbeiten.
Oberflächenbehandlung
Mühelos durch Polieren, Lackieren, Mattieren und Beizen mit Öl und Wasserbeize. Um die schöne Eigenfarbe zu erhalten, sollten klare und matte Lacke und Öle verwendet werden. Eine Verwendung als Ebenholzersatz ist durch eine schwarze Einfärbung möglich.
Verwendung
Im Furnier- wie im Vollholzbereich findet Birnenholz eine sehr vielfältige Verwendung. Nach dem 2. Weltkrieg fand Birnenholz seinen hauptsächlichen Einsatzbereich im Schlafzimmerbau.
Furnierholz
Wegen der angenehm warmen Tönung im Wohn- und Küchenbereich als Möbelholz oder Vertäfelung verwendet
Intarsien stellen eine besonders edle Furnierverwendung dar.
Parkett Wegen der Färbung und Flammung sehr geschätzt.
Gegenstände,
die Maßhaltigkeit und Präzision erfordern
Meß- und Zeichengeräte wie Winkel, Lineale, Maßstäbe, Reißschienen, Meßstäbe, sowie Druckstöcke, Maschinenteile, Plakatbuchstaben, Kluppen, Mangelrollen, Obst- und Weinpressen.
Gebrauchs-
gegenstände
Werkzeuggriffe, Webschützen, Spinnräder, Rahmen, Backformen, Regenschirmstöcke, Hobelkorpusse, Bürstenrücken, Küchengeräte, Kugeln, Kegel, Schlittenkufen, Spielzeug, Knöpfe und Schrauben.
Musikindustrie Blockflöten (ca. 1000 Festmeter Birnbaumholz/J).
Griffe der Mundharmonika sind bei guten Modellen vielfach aus Birnenholz hergestellt.
Schwarzgebeizt auch Einsatz im Klavierbau.
Schnitz- und Drechsler -handwerk Ebenfalls vielseitige Verwendungsmöglichkeiten.
Brennholz Nicht so energiereich wie Buchenholz.
Markt
Der Birnbaum gehört wie auch Kirsche, Hainbuche, Nußbaum, Ulme, Esche und Ahorn zu den wirtschaftlich bedeutenden einheimischen Baumarten, die in so geringen Mengen anfallen, daß der Bedarf an Holz auf dem deutschen Markt nicht gedeckt werden kann. Das in Deutschland angebotene Holz stammt in der Regel aus Obstkulturen und wird auch zum Teil aus den Alpen- und Beneluxländern importiert. Nur ein ganz geringer Teil des Birnenholzes auf dem deutschen Markt stammt aus heimischen Laubmischwäldern, ist also tatsächlich Wildbirnenholz. Teilweise werden Hölzer wie Speierling, Elsbeere oder Apfel als Ersatz verwendet bzw. gehandelt.
Mit der Rückbesinnung auf einheimische Buntlaubhölzer und dem steigenden Verzicht auf Tropenhölzer erhöht sich die Nachfrage nach heimischen Hölzern. Auf dem der Mode unterliegenden Möbelmarkt steigen furnierfähige Stämme von Birne, Apfel, Elsbeere und Erle im Preis in den letzten Jahren stark an.
Verwechslungs-möglichkeiten
Unter der Bezeichnung „Schweizer Birnbaum“ wird in der Regel Elsbeerenholz gehandelt. Es sieht dem des Birnbaumes zum Verwechseln ähnlich. Auch Verwechslungen mit Apfel-, Weißdorn- und Vogelbeerenholz sind im gedämpften Zustand möglich. Der sogenannte „Afrikanische Birnbaum“ oder Makord hat nichts mit der hier beschriebenen Birne zu tun; es handelt sich um ein Seifenbaumgewächs.