Die Gattung der Weiden (Salix) zählt zu den ältesten voreiszeitlichen Blütenpflanzen.
Heute
Arktischen Tundra über die gemäßigte Zone bis in die Tropen
Höhe
Meeresküste bis hochalpine Lagen
Arten- und Formenvielfalt
Weiden weisen eine für Holzgewächse einmalige Arten- und Formenvielfalt auf. Sie kommen als mächtige Bäume des Auewaldes und als Sträucher verschiedener Größe bis hin zu den Zwergsträuchern an der Waldgrenze der Hochgebirge vor. Viele Weidenarten sind ausgesprochene Pioniergehölze, die auf die Erstbesiedelung von Extremstandorten spezialisiert sind.
Systematik
Die systematische Gliederung der Weiden ist bis heute noch nicht abgeschlossen. Sie wird erschwert durch ihre Vielgestaltigkeit und die Fähigkeit zur natürlichen Kreuzung zwischen vielen Weidenarten. In der Literatur werden zwischen 350 und 500 Weidenarten genannt, von denen etwa 50 in Mitteleuropa vorkommen. Auffallend ist die oftmals starke Differenzierung sogar innerhalb einer Art zwischen Jugend- und Altersformen sowie zwischen verschiedenen Wuchsformen je nach Höhenlage und geographischer Breite.
Lebensraum und Vorkommen
Die meisten unserer heimischen Weiden sind Begleiter der Bach- und Flußläufe:
Die Silberweide (Salix alba) ist die namensgebende Art der wichtigsten Pflanzengesellschaft im Überschwemmungsbereich der großen Flüsse, dem Silberweiden-Gehölz (Salicetum albae). Als Charakterbaum der Weichholzaue steht sie hier einzeln bis gruppenweise, zuweilen auch bestandesbildend, an den feuchtesten Stellen mit stark schwankendem Wasserstand. Den periodischen Wechsel von Überschwemmung und Trockenheit unmittelbar am Gewässersaum ertragen neben der Weide nur wenige weitere Baumarten wie Schwarzpappel und Erlen. Die Silberweide tritt häufig zusammen mit der Bruch- oder Knackweide auf (S. fragilis). Beide Arten bastardisieren leicht (S. x rubens). Dort, wo die Flußtäler tiefer eingekerbt sind und die Aue schmaler wird, löst die Bruchweide allmählich die Silberweide ab.
Sind dem Silberweiden-Gehölz noch ausreichend große Kies- oder Sandbänke vorgelagert, schließt sich dort das Mandelweiden-Korbweidengebüsch (Salicetum triandro-viminalis) an. Weitere Arten des Auewaldes sind die Lavendelweide (S. elaeagnos), die Purpurweide (S. purpurea) und die Aschweide (S. cinerea).
Riedwiesen und Moore
In Riedwiesen und Mooren sind die Ohrweide (S. aurita), die Kriech- oder Moorweide (S. repens) und bisweilen auch die ihrer schönen Belaubung wegen gerne als Ziergehölz angepflanzte Lorbeerweide (S. pentandra) anzutreffen.
Trockenere Standorte
Die Salweide (S. caprea) ist nicht an nasse oder sumpfige Stellen gebunden und findet sich stets außerhalb der Auen an Wald- und Wegesrändern,auf Lichtungen, Brachflächen oder an anderen vegetationsfreien Stellen. Sie kommt von der Ebene bis zur Waldgrenze, aber vorwiegend als kleiner Baum des Hügel- und Berglandes vor (colline und submontane Stufe). Ihr leicht zersetzbares Laub unterstützt den Abbau von Rohhumus und wirkt dadurch bodenverbessernd.
Als Vorwaldbaumart leitet die Salweide neben Birke und einigen Straucharten die erste Phase der natürlichen Waldentwicklung ein. Allmählich wird sie dann von konkurrenzkräftigeren Baumarten verdrängt, so daß sie nie am Bestandesaufbau reifer Waldgesellschaften beteiligt ist.
Schon sehr früh hat auch der Mensch zur Verbreitung einiger Weidenarten beigetragen. Wahrscheinlich bereits in vorgeschichtlicher Zeit wurden zum Flechten besonders geeignete Arten wie die Hanfweide (S. viminalis) an den Lagerplätzen fahrender Korbmacher angepflanzt.
Botanisches
Blüte
Weidenkätzchen
Zweihäusigkeit, d.h. eine Pflanze hat entweder nur männliche oder nur weibliche Blüten.
Blütenanordnung in aufrechten Kätzchen Insektenbestäubung Blühbeginn im Vorfrühling, bei einigen Arten lange vor dem Laubaustrieb. Salweide und Reifweide (S. daphnoides) blühen bereits ab März und werden vor allem von den recht kälteunempfindlichen Hummeln und Bienen bestäubt.
Frucht
Weiden fruchten früh, oft und reichlich.
Gelegentlich ist die Kätzchenbildung an Stecklingen schon im ersten Jahr zu beobachten, und Jahr für Jahr werden große Mengen von Samen gebildet.
Samen
Die Samen sind nur knapp 1,5 mm lang und mit feinen Härchen versehen, mit denen sie als wollene Flocken weit über Land fliegen.
Die Samenreife ist meist schon Ende Mai oder Anfang Juni abgeschlossen. Auf geeignetem Boden erfolgt die Keimung innerhalb weniger Stunden und bereits am folgenden Tag hat sich der Sämling entwickelt. Die Keimfähigkeit beträgt allerdings nur wenige Wochen.
Pioniereigenschaften
Durch diese Eigenschaften sind Weiden ausgesprochene „Rohbodenpioniere“, die sogar auf vegetationsfreie Flächen angewiesen sind. Im Gegensatz zu den schwerfrüchtigen Baumarten wie Eiche und Buche enthält der leichte Weidensame keine zusätzlichen Nährstoffe, so daß für zügiges Wachstum einzig die Produkte der Photosynthese zur Verfügung stehen. Der Weidensämling ist deshalb sehr empfindlich gegen Beschattung und Austrocknung. Er benötigt einen gut durchfeuchteten Standort ohne konkurrierende Begleitvegetation.
Überlebens-strategien auf Extremstandorten
Anpassung an Instabilität: Flexibilität
Junge Weidenzweige und -wurzeln sind außergewöhnlich biegsam und zugfest. Eine Überschwemmung wird deshalb ebenso unbeschadet überstanden wie Hangrutschungen, Überschüttung oder Steinschlag. Kommt es doch einmal zu Verletzungen der Rinde, so wird dadurch die Bildung von Blüten angeregt. In Einzelfällen wurde nach Rindenabschürfungen Blühen und Fruchtbildung sogar noch im August beobachtet.
Anpassung an Wasser: Wurzelhohlräume
Die Wurzeln der in der Aue vorkommenden Weiden sind mit großen Hohlräumen ausgestattet, in denen der lebenswichtige Sauerstoff transportiert wird. Durch diese Anpassung an den Lebensraum Aue kann ein durch Überschwemmung, Staunässe oder Bodenverdichtung hervorgerufener Sauerstoffmangel im Wurzelraum kompensiert werden. Darüber hinaus wird das Wurzelsystem durch Überflutung zur Bildung neuer Wurzeln angeregt. Silberweide, Ohrweide. Aschweide und Purpurweide können auf diese Weise jährliche Überflutungen von durchschnittlich 90-190 Tagen und in Extremfällen bis zu 300 Tagen unbeschadet überstehen. Sie sind die wichtigsten Arten der Weichholzaue.
Auewald im Hochwasser
Vegetative Vermehrung
Mit Ausnahme der Salweide haben die Weiden eine sehr ausgeprägte Fähigkeit zur vegetativen Vermehrung. Auch aus kleinsten Zweigstückchen kann wieder ein ganzer Baum oder Strauch gebildet werden. Zurückgeschnittene Stämme treiben zuverlässig aus dem Stock wieder aus.
Zweigbruch
Eine besondere Verbreitungsstrategie haben einige Weidenarten entwickelt, die häufig am Rand von Fließgewässern stehen. Bei ihnen brechen die Zweige an der Basis leicht ab, so daß sie bei Hochwasser abgerissen und von der Strömung mitgeführt werden. Später bleiben sie irgendwo am Ufer hängen, bilden Wurzeln und treiben erneut aus. Von dem knackenden Geräusch beim Abbrechen hat die Knackweide (auch Bruchweide) ihren Namen. Auch Reifweide und Hanfweide sind an der Zweigbasis brüchig.
Zu biomechanischen Aspekten des Zweigbruchs s. Universität Freiburg
Kulturgeschichte
Name
Bezüglich des Namens gibt es eine ganze Reihe von Deutungsversuchen. Die gebräuchlichsten Namen sind Weide oder Abwandlungen davon wie Wiede, Wede, Wichel, Wilche. Andere Bezeichnungen wie Salch, Salche oder Salixl gehen auf das lateinische Wort Salix zurück. Vereinzelt werden Weiden auch nach dem germanischen Wortstamm als Hupen- oder Felber-(Gelb)Strauch bezeichnet.
Aus dem Mittelhochdeutschen ist das Wort ‘wida’ für Weide überliefert, das mit dem lateinischen Wort ‘vitis‘ = Weinrebe, Ranke verwandt ist. Vitis wiederum soll auf den altindischen Wortstamm ‘ve‘ zurückgehen, der soviel wie Flechten bedeutet. Die lateinische Bezeichnung ‘Salix‘ wird auf das altindische ‘Salilam‘ = Wasser oder ’sarit‘ = Fluß zurückgeführt. Andere Autoren glauben, daß die Weide ihren lateinischen Namen ihrem sprunghaften Wachstum zu verdanken hat und leiten Salix von ‘salire‘, lat. Springen, ab.
Korbflechterei
Alte Tradition
Seit vorchristlicher Zeit werden die biegsamen Triebe bestimmter Weidenarten als Flecht- und Bindematerial genutzt. Vor allem von den Kelten ist eine besondere Kunstfertigkeit in der Korbflechterei überliefert.
Qualitätsanforderungen
Flechtweidenruten sollen lang und möglichst gleichmäßig gewachsen sein, darüber hinaus eine schöne Färbung aufweisen und leicht entrind- und spaltbar sein. Besonders geeignet sind Hanfweide (deshalb auch „Korbweide“), Mandelweide, Purpurweide und Bruchweide. Schon sehr früh wurden zur Qualitätsverbesserung gezielte Kreuzungen vorgenommen und fremdländische Weiden eingeführt, so daß heute neben den Wildformen eine Vielzahl von Kultursorten aus unterschiedlichen Weidenarten existiert.
Kopfweiden als typische Kulturform der Weiden
Die Kopfweide, typisches Element
früherer feuchter Kulturlandschaften,
ist selten geworden und nur noch
durch Pflegeschnitte zu erhalten
Zur Gewinnung von Ruten werden die Bäume regelmäßig in Reichhöhe zurückgeschnitten. An den Schnittstellen entstehen allmählich Stammverdickungen, woraus sich die typische Kopfweidenform entwickelt. Der Erntezyklus ist abhängig von der geforderten Stärke des Materials und reicht vom jährlichen Rückschnitt zur Gewinnung von Flechtmaterial bis zum dreijährigen Ernteturnus, wenn sogenannte Bandstöcke benötigt werden. Bandstöcke wurden beispielsweise längs aufgespalten als Faßreifen verwendet.
Aufschwung
Ab dem 17. Jahrhundert erlebte die Korbweidenkultur auch in Deutschland einen Aufschwung, der bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts andauerte. Zur Deckung der steigenden Nachfrage reichten die wildwachsenden Weidenbestände schon bald nicht mehr aus. Daher legte man Weidenkulturen („Weidenheger„) an, in denen ein möglichst homogener Rohstoff heranwachsen sollte. Zusätzlich wurden noch große Mengen von Flechtweiden importiert.
Ein bedeutendes Zentrum der Korbweidenindustrie war Oberfranken. Dort waren im Jahr 1875 rund 25.000 Arbeiter beschäftigt, die neben dem selbsterzeugten Material noch 270 Eisenbahnwaggons mit importierten Weiden verarbeiteten.
Rückgang
Erst in den letzten Jahrzehnten verlagerte sich die arbeitsintensive Produktion von Korbwaren infolge von steigenden Lohnkosten und sinkendem Absatz zunehmend ins Ausland.
Inzwischen hat sich die Nachfrage nach Flechtwaren aus natürlich gewachsenen Rohstoffen wieder belebt. Auch im Weinbau werden hier und da Weidenruten zum Aufbinden der Reben verwendet. Dennoch hat die Rutengewinnung von Kopfweiden heute fast keine Bedeutung mehr.
Gefährdung und Naturschutz
Viele Weidenarten müssen aufrund der Gefährdung ihres Lebensraums als gefährdet eingestuft werden. So sind viele Lebensräume, in denen Weiden vorkommen, gesetzlich besonders geschützt wie Bruch-, Sumpf- und Auewälder, naturnahe Bach- und Flußabschnitte, Verlandungsbereiche stehender Gewässer und Altarme (z. B, § 20c Bundesnaturschutzgesetz, § 23 Hessisches Naturschutzgesetz). Naturschutzgesetze enthalten teilweise auch Vorgaben für den Pflegeschnitt von Weiden wie z. B. § 23 Hessisches Naturschutzgesetz: „Der Pflegeschnitt von Gehölzen in der Zeit vom 1. September bis 15. März bleibt zulässig: Pflegemaßnahmen sind so vorzunehmen, daß die Gehölze dauerhaft erhalten bleiben und ihre Funktion als Lebensraum nicht beeinträchtigt wird.“ In den Niederungen der großen Flüsse sind allenfalls noch Relikte ehemaliger Auewälder erhalten. Wenn sie nicht überbaut wurden, befinden sich die fruchtbaren Böden der Auewaldstandorte heute bis auf wenige Ausnahmen unter landwirtschaftlicher Kultur. Auch bei den kleineren Zuflüssen aus den Mittelgebirgen gestaltet sich die Situation kaum erfreulicher, Als „Vorfluter“ wurden sie häufig begradigt und weitgehend kanalisiert. Flußbegleitendes Ufergehölz, in dem Weiden ihren Platz hatten, wurde als störend empfunden und entfernt. Inzwischen gibt es einige vielversprechende Ansätze zum verbesserten Schutz von Auewäldern und zu deren Neuanlage sowie insgesamt zur Wiederherstellung naturnaher Fließgewässer einschließlich ihrer Auen.
Heutige Nutzung
Wuchsleistung
Wenn auch die meisten Weidenarten kein verwertbares Stammholz produzieren, so ist ihre Wuchsleistung doch sehr beeindruckend. Jährliche Höhenzuwächse von 1,5 bis 2 m sind keine Seltenheit und vor allem die Baumweiden der Weichholzaue erbringen in kurzer Zeit sehr hohe Holzmassenerträge.
So werden auf geeigneten Standorten schon in 30 Jahren Baumdurchmesser von 40 bis 60 cm und Höhen über 25 m gemessen.
Der Volumenzuwachs liegt bei 15 bis 25 Kubikmeter je Jahr und Hektar.
Pflanzung
Beim Pflanzen von Weiden muß auf die Herkunft des Pflanzmaterials geachtet werden, um eine ungewollte Florenverfälschung durch Zuchtformen zu verhindern.
Pflege
Weiden sind Wirtspflanzen für eine große Zahl von Tieren und Pilzen.
Wiederholter Kahlfraß im Zuge von Massenvermehrungen blattfressender Insekten kann einzelne Weiden durchaus zum Absterben bringen. Solche Schäden treten in der Regel jedoch nur örtlich begrenzt auf und stellen keine Gefahr für eine Weidenart dar.
Allenfalls in Weidenkulturen können wirtschaftliche Schäden entstehen.
Holzeigenschaften
Weidenholz ist weich, leicht, von sehr gleichmäßiger Struktur, aber wenig dauerhaft und insgesamt nur von geringem wirtschaftlichen Wert.
Es ist in seinen Eigenschaften dem Pappelholz vergleichbar und wie dieses zu den Weichhölzern zu zählen (Darrdichte ca. 520 kg/m3)
Holznutzung
Früher
Prothesen, Holzschuhe, Schachteln, Kisten, Siebe, Schnitzereien, Flußkähne, Zahnstocher und Zündhölzer (aus Pappel- oder Weidenholz).
Industrieholz
Es eignet sich auch zur Erzeugung von Zellstoff und Holzschliff sowie zur Herstellung von Sperrholz-, Span- und Faserplatten.
Energieholz
Weidenholz als Energieträger – eine zukünftige Nutzungsform in der Erprobung: Informationen über die energetische Nutzung von schnellwachsenden Baumarten wie Weiden und Pappeln sind zu finden unter www.inaro.de/bioenergie
Ingenieur biologische Verbauung
Besonders wegen ihrer Fähigkeit, aus abgeschnittenen Zweigen wieder auszutreiben, sind Weiden sehr geeignet als lebendes Baumaterial für ingenieurbiologische Verbauungen aller Art.
Die Einsatzmöglichkeiten reichen von der Stabilisierung vernäßter oder durch Aufschüttung verdichteter Böden über Ufersicherung an Fließgewässern und Erosionsminderung an Steilhängen bis zur Böschungsbefestigung entlang der Autobahnen mit niedrigwüchsigen, salztoleranten Weidenarten. Bei der Rekultivierung von Abbauflächen leisten Weiden unverzichtbare Dienste.
Weitere Verwendungen
Salicin
Weidenrinde enthält Salicin, einen Wirkstoff, den schon Hippokrates zur Linderung rheumatischer Beschwerden empfahl. Zur Herstellung von Schmerzmitteln aus Rindenextrakt werden Weidenarten mithohem Salicingehalt angebaut. Die Rinde selbst kann zur Teeherstellung verwendet werden.
Übrigens
… verwenden auch Wünschelrutengänger gerne einen gegabelten Weidenast. Denn das am Wasser gewachsene Holz soll dieses am ehesten auch anzeigen.