Tanne (Abies alba)

 

Name und Botanik

TANNE, WEIßTANNE, EDELTANNE, SILBERTANNE

Abies alba MILL.

– Pinaceae –

Abies alba

Biologie

Name
Die Weißtanne (Abies alba) ist u.a. verwandt mit Abies nordmanniana aus dem Kaukasus, Abies cephalonica aus Griechenland und Abies grandis aus Nordamerika. Nicht zu verwechseln ist die Weißtanne mit der auch „Rottanne“ genannten Fichte (Picea abies). Diese beiden Baumarten werden oft verwechselt (s.u.)
Verbreitung
Nacheiszeitliche Ausbreitung
Wiedereinwanderung nach Mitteleuropa aus Italien, dem Balkan und Spanien auf zwei Wegen: im Osten über Slowenien und Tschechien, im Westen über Frankreich und die Schweiz. In Mittelfranken trafen sie wieder zusammen.
Heutige Verbreitung
Hauptverbreitung in den Bergmischwäldern von Alpen und Alpenvorland, Schwarzwald, Bayerischen und Oberpfälzer Wald, Fichtelgebirge, Thüringer Wald sowie Franken und Erzgebirge. In diesen Bergmischwäldern hatte die Tanne einen unterschiedlich hohen Anteil von 15 bis zu 50 %. Die Tanne kommt bei uns kaum irgendwo im Reinbestand vor.

Verbreitung der Tanne in Europa (Schwarz: Abies alba, Grau: Abies cephalonica)
Höhe
In den bayerischen Alpen bis auf 1600 m, im Schwarzwald bis 1300 m, im Fichtelgebirge und im Thüringer Wald bis auf ca. 800 m ü NN
Unterschiede zur Fichte
(Weiß-)Tanne
Abies alba
Fichte („Rottanne“)
Picea abies
Rinde weiß rötlich
Nadeln Flach und breit, vorne eingekerbt, nicht stechend, zwei bläulich-weiße Wachsstreifen an der Unterseite spitz und stechend
Zapfen Tannenzapfen stehen aufrecht an den Zweigen, nach der Samenreife fallen nur die Schuppen ab, die Spindel bleibt stehen. Am Boden findet man deshalb nie reife Tannenzapfen. Fichtenzapfen fällt als Ganzes auf den Boden
Weitere botanische Merkmale
Blütenstände
Ab dem Alter von 60 Jahren blüht eine hauptständige Tanne jährlich in geringer Menge. Eine größere Zahl von Zapfen bildet sie alle 2 bis 6 Jahre. Männliche und weibliche Blütenstände stehen am selben Baum („einhäusig“)

 

Männliche Blütenstände gelbe, dicht gedrängte Kätzchen
an der Unterseite vorjähriger Triebe
Weibliche Blütenstände aufrechte, bleichgrüne Zäpfchen
fast nur in der Wipfelregion
Aus ihnen entwickeln sich die Tannenzapfen.
Ab Oktober fallen die Deck- und Frucht -schuppen ab, die Samen werden vom Wind weggetragen.
Samen groß, dreikantig, dunkelbraun, mit dem Flügel verwachsen.
TKG ca. 50 g
Wurzel Meist tiefreichende Pfahlwurzel, die sich später zu einer Herzwurzel weiterentwickelt.
Das tiefreichende Wurzelsystem führt dazu, daß Tannen besser als andere Nadelbäume im Boden verankert sind und weniger vom Sturm geworfen werden. Nach den großen Stürmen Anfang März 1990 wurde der Sturmwurfanfall im Staatswald Bayerns ausgewertet. Dabei hat sich herausgestellt. daß die Fichte (bezogen auf die jeweilige Gesamtholzmasse) fast viermal stärker sturmwurfgefährdet ist als die Tanne.
Ökologische Besonderheiten
Die Tanne ist der typische Mischwaldbaum. Sie ist duldsam, kann lange im Schatten anderer Bäume ausharren und sich später zu mächtigen Bäumen entwickeln. Folgende Merkmale bedingen diese Eignung:
Besonderer
Bau der
Tannennadeln
Als Verdunstungsschutz Wachsstreifen.
Auf vergleichbaren Standorten enthalten die Tannennadeln weniger Lignin, Kieselsäure und Harz, dafür aber mehr Stickstoff und Kalk als andere heimische Nadelbaumarten. Die Tanne behält ihre Nadeln 8 – 11 Jahre, die Fichte 6 – 8 und die Kiefer nur 3 – 6 Jahre.
Große Samen
(Reserven)
Um auch bei wenig Licht zu überleben, braucht der Tannenkeimling größere Rohstoff-Reserven als andere Nadelbäume. Der Samen der Tanne ist sechsmal schwerer als der Samen der Fichte.
Schatten-
toleranz
der Tannen-
keimlinge
Die Tannenkeimlinge können überleben, wenn es für die Keimlinge anderer Baumarten noch zu dunkel ist. In einem langsam sich erneuernden Bergmischwald erhalten die jungen Tannen dadurch einen erheblichen Altersvorsprung vor den anderen Baumarten.
Optimierung
der Licht-
ausnutzung,
Schattenschlaf
Im Gegensatz zu anderen bei Lichtmangel absterbenden Baumarten breiten unterdrückte Tannen ihre Äste horizontal aus, um auch noch die kleinste Lichtmenge aufzufangen. Zusätzlich bilden sie Schattennadeln aus. Alle Lebensfunktionen dieser unterdrückten Tannen werden auf ein Minimum reduziert. Sie wachsen nicht mehr nach oben und nur noch mit extrem schmalen Jahrringen in die Dicke, und bilden keine Samen. Die Tanne kann diesen „Schattenschlaf“ bis zu 100 Jahre, manchmal noch viel länger ausdehnen. Wenn dann in der Oberschicht ein Baum stirbt, kann das einfallende Licht diese „schlafende“ Tanne „wach küssen“. Sie bildet ihre Schattennadeln in Lichtnadeln um und beginnt nach oben und in die Dicke zu wachsen.
Die Tanne im Wald
Bergmischwald
Wo sich die Verbreitungsgebiete von Buche, Tanne und Fichte überlappen, kommt es zum „Bergmischwald“. Dieser Mischwald ist außergewöhnlich vielfältig und ertragreich. Das Kronendach des Bergmischwaldes ist lichtdurchlässiger als das reiner Buchenwälder. Am Boden kann sich nicht nur eine Schicht an Kräutern und Sträuchern halten, es können an manchen Stellen auch junge Bäume aufwachsen. Es entwickelt sich so ein Wald nicht nur aus unterschiedlichen Baumarten – wie Fichten, Tannen und Buchen – diese sind auch unterschiedlich hoch, alt und dick. Der Forstmann nennt einen solchen Waldaufbau „Plenterwald„.
Rückgang der Tanne Vor einigen hundert Jahren war die Weißtanne in Süddeutschland fast so häufig wie die Fichte. Nach der Bundeswaldinventur von 1989 (alte Bundesländer) beträgt ihr Anteil im Plenterwald (alle Alter und Baumarten gemischt) heute noch rund 20%, im „schlagweisen Hochwald“ dagegen nur knapp 2%. In den über 120 jährigen Wäldern stehen noch rund 20% Tannen, in den 1-80 jährigen Wäldern nur noch knapp 2%. Hauptursache dafür ist neben Kahlschlägen die starke Zunahme des Wildverbisses.

Waldbau

Wuchsleistungen
Mit dem leistungsfähigen Wurzelsystem und dem besonderen Aufbau ihrer Nadeln kann die Tanne auf geeigneten Standorten zu den mächtigsten Bäumen Mitteleuropas heranwachsen. So wird von Tannen mit 68 Metern Höhe und 3,8 Metern Durchmesser in Brusthöhe berichtet. Im Bayerischen Wald standen bis vor 70 Jahren viele Tannen mit 20 bis 50 Kubikmetern und einem Alter von 300 bis 500 Jahren. Auf günstigen Standorten erzeugt die Tanne etwa 100% mehr Holz als die Fichte.
Standortansprüche
Die Tanne stellt höhere Ansprüche an Feuchtigkeit, Wärme und Tiefgründigkeit des Bodens als Fichte oder Kiefer.
Licht hohe Schattentoleranz
Temperatur spätfrostempfindlich
Boden
tiefgründig (Tannenwurzeln erschließen den Waldboden am tiefsten von allen Nadelbaumarten)
Aufgrund des vergleichsweise geringen Sauerstoffanspruchs ihrer Wurzeln können Tannen auch auf dichteren Böden wachsen

Schädlinge und Schädigungen

Verbiß
Tannennadeln werden aufgrund ihres Nährstoffreichtums (hoher Stickstoff- und Kalkgehalt) und geringen Gehalts an Kieselsäure, Lignin und Harz (leichter verdaulich) vom Schalenwild gegenüber Fichtennadeln bevorzugt. Wegen intensiver Wildfütterungen verweilen Rehe und Hirsche heutzutage auch im Winter in den Tannstandorten der Berge, und ihre Zunahme hat zu einer starken Zunahme von Verbißschäden geführt. Nach der Bundeswaldinventur sind mehr als 50% der nicht geschätzten und mehr als 20% der geschätzten Jungtannen verbissen. Junge Tannen können meist nicht ohne wilddichten Zaun aufwachsen. Durch dieses „Waldsterben von unten“ ist mittelfristig der Fortbestand der Tanne gefährdet.
Frost- gefährdung in Kahlschlägen Durch Spätfröste im Frühjahr sind Tannennadeln weit mehr gefährdet als die Nadeln anderer Baumarten. Solange die jungen Tannen im Schutz älterer Bäume stehen, ist diese Gefahr gering.
Borkenkäfer Von den verschiedenen Tannen-Borkenkäfer sind die meisten wegen des Rückgangs der Tanne regional bereits sehr selten geworden. Der kleine Tannenborkenkäfer, der seine Fraßgänge in der Rinde der Äste anlegt, tritt allerdings noch häufiger auf.
Tannen- trieblaus Gefährlicher Schädling, wurde vor ca. hundert Jahren aus dem Kaukasus nach Mitteleuropa eingeschleppt
Tannennadel- Gallmücke In den Tannennadeln fressen die Larven der Tannennadel-Gallmücke. Der Befall ist durch vorzeitigen Nadelabfall und graugelbe Nadeln erkennbar.
Tannenmistel Bei starkem Mistelbesatz ist das Holz der befallenen Tannenäste durch die Senkerbildung wie durchlöchert.
Örtlich häufig (Schwarzwald, oberbayerischer Voralpenraum, Bayerischer Wald), ansonsten selten.
Tannen-stachelbart An absterbenden und toten Tannen findet man als besonderen Pilz den seltenen Tannenstachelbart.
Empfindlichkeit gegen Schadstoffe
Die lange Lebensdauer der Tannennadeln führt zu einer anderen Gefahr. Werden mit dem Wind oder dem Regen bestimmte Schadstoffe auf den Nadeln abgelagert, können sie auf einer Nadel mit langer Lebensdauer große Schäden anrichten. Die Tanne war deshalb in früheren Jahrzehnten von Nah-Immissionen örtlicher Industriebetriebe stark geschädigt. Schon in früheren Jahrhunderten wurde von örtlichen „Tannensterben“ berichtet. Seit etwa 20 Jahren wurde die Tanne in ihrem gesamten mitteleuropäischen Verbreitungsgebiet sehr stark geschädigt, es wurde vom „Waldsterben“ gesprochen. Nach der Reduktion der Schwefel-Emissionen hat sich die Tanne etwas erholt. Nach dem Waldzustandsbericht von 1996 sind in Bayern nur noch etwa 50 % der älteren Tannen „deutlich geschädigt“. Erkrankte Tannen beginnen sich zu erholen. Es wachsen mehr Nadeln nach als vorzeitig abfallen, sie setzen eine neue Krone auf. Diese „Pickelhaube“ ist in fast allen Tannengebieten zu beobachten. Es ist deshalb falsch, kränklich aussehende Alttannen gleich zu fällen.
geschädigte Tanne 1983
geschädigte Tanne 1997
1983
1997
Die etwa 130 jährige Tanne in Bildmitte war 1983 stark geschädigt. Sie hatte oben eine „Storchennest-Krone“ ausgebildet und im unteren Stammteil schüttere grüne Zweige gebildet. Nach der Reduktion der Schwefelbelastung sind diese Zweige bis 1997 viel dichter geworden. Der Gipfeltrieb der Krone hat wieder zu wachsen begonnen, es hat sich eine „Pickelhaube“ gebildet.

Nutzung

Holzeigenschaften
Farbe
gelblichweiß bis rötlich.
Konsistenz
weich und harzfrei, ohne Harzkanäle. Äußerst Wohlriechendes Harz gibt es nur auf der Rinde in kleinen Harzgallen.
Mechanische Eigenschaften
sehr stabiles Holz
Ein Kubikmeter Tannenholz wiegt etwa 370 kg (zum Vergleich Fichte = 390 kg, Buche 440 kg). 
Als Weichholz hat Tannenholz eine Darrdichte von 410 kg/m3.
Holzverwendung
Das Holz der Tanne wird hauptsächlich als Bauholz und zu Tischlerplatten verwendet.
Bauholz
Besondere Eignung von Tannenholz für Wasserbauten.

Z.B. „Holländertannen“: mächtige Tannenstämme aus Schwarzwald und Frankenwald wurden im 17.-19. Jh. von Holzhändlern gekauft, um die weltweite holländische Handelsflotte mit Mastbäumen zu versehen. Angeblich soll Amsterdam auf Pfählen aus Tannenholz gegründet sein.

Tischlerholz Herstellung von Tischlerplatten
Holzschindeln Wegen seiner guten Spaltbarkeit werden Schindeln für Holzhäuser vielfach aus Tannenholz hergestellt.
Weitere Verwendung
Für frühe Völker war die Tanne ein Baum von außergewöhnlicher magischer Kraft, sie galt als Sinnbild der Stärke und der Hoffnung. Schon in vorchristlicher Zeit stellte man zur Wintersonnenwende einen Tannenbaum auf. Im Jahr 1539 soll der erste christliche Weihnachtsbaum im Straßburger Münster gestanden haben. Diese Sitte hat sich seitdem über ganz Deutschland und darüber hinaus verbreitet.
Sehr begehrt sind Tannenzweige, Tannen-Misteln und Tannen-Christbäume in der Advents- und Weihnachtszeit. Wo viele Tannenzweige und Christbäume verkauft werden können, ist der Erlös dafür fast so hoch wie der Erlös für das Holz.
Aus dem kleinen Harzgallen der Rinde wurde früher in sehr geringen Mengen Harz gewonnen, das zum „Straßburger Terpentin“ weiterverarbeitet wurde.